Nach dem Kongress in Kassel ging es für uns am Montag direkt weiter nach Jena, um dort an der Jena-Plan-Schule, kurz JPS zu hospitieren:
Als wir in den Räumen der JPS ankommen, werden wir von Blumen und ganz viel Schulmaterial begrüßt. Mit diesen Materialien werden wir uns auch noch länger beschäftigen, denn die Jena Plan Schule hat ein sehr ausgeklügeltes und auf den ersten Blick komplexes Konzept mit vielen Jahrgangsübergreifenden Inhalten, Stammgruppen, Kursen und einigem mehr. Um das alles kennenzulernen bekommen wir am Montag daher als erstes eine Einführung zum Konzept des „Jena-Plans“ dessen Grundgedanken ich hier für euch kurz umreisen möchte:
Im Zentrum des „Jena-Plans“ stehen die Gemeinschaft und das soziale Miteinander. Idealerweise lernen die Schüler und Schülerinnen (SuS) an der JPS daher auch von der ersten bis zur letzten Klasse (10/13) zusammen und es gibt keine Trennung nach Leistungsniveau oder Abschluss. An der JPS können die 412 SuS alle Abschlüsse nacheinander machen. Wer möchte kann, nach der erfolgreichen mittleren Reife Prüfung in der 10. Klasse, auch das Abitur in drei Jahren Oberstufe ablegen. Wenn man in die Oberstufe kommt, kennt man meist fast alle anderen Mitschüler dank des jahrgangsübergreifenden Unterrichts in den “Stammgruppen” die sich immer über drei Jahrgänge erstrecken (sog. Untergruppe 1.-3. Klasse, Mittelgruppe 4.-6. und Obergruppen 7.-9.) und in denen mit-und voneinander gelernt und geübt wird.
In jahrgangsübergreifenden “Projekten” welche auch fest und regelmässig im Lehrplan verankert sind, lernen die SuS nicht nur als inhomogene Gruppe zusammenzuarbeiten sondern vor allem auch das selbstständige arbeiten und präsentieren. Inhalte bei denen es sich nicht anbietet sie als Projekt oder Modul zu realisieren, wie etwa Sprachen, werden jedoch auch in “Kursen” (ähnlich klassischen Klassen) in einem Jahrgang unterrichtet.
Das klingt jetzt alles erstmal kompliziert und unübersichtlich…was ist daran den so toll dass man sich diesen Aufwand macht? Mir persönlich gefiel an dem Ansatz vor allem, dass die Schüler durch das viele gemeinsame Arbeiten viel Zeit haben um Vertrauen und gute Beziehungen zueinander und auch zu den LehrerInnen zu entwickeln welche ihre Schüler oft über 13 Jahre begleiten. Diese tiefere LehrerInnen-SchülerInnen Beziehung wird auch in der Leistungsrückmeldung deutlich. Die Lehrer schreiben nicht einfach ein Zeugnis mit Noten, sondern einen Zeugnisbrief indem die Entwicklung der Schüler über das ganze Jahr, ihre Stärken und Verbesserungspotentiale beschrieben werden. Außerdem gibt es ein Zeugnisgespräch bei dem die Schüler sich und ihre Leistungen auch kritisch reflektieren und sich mit ihren Lehrern und den Eltern darüber austauschen. Die oft mehrseitigen Zeugnisbriefe sind ehrlich gesagt ein riesengroßer Aufwand für die LehrerInnen, aber in meinen Augen eine tolle Rückmeldung für die SchülerInnen. Ich glaube ich hätte als Schüler auch gerne so ein Zeugnis gehabt! Das Konzept der JPS funktioniert aber auch wenn es nach „harten Leistungskriterien“ bemessen wird sehr erfolgreich. So sind die Abiturschnitte der Schule in den letzten Jahren besser als der Landesdurchschnitt.
Wir hatten auch die Gelegenheit mit einigen Lehrerinnen der JPS ganz offen und direkt über das Schulkonzept diskutieren zu können. Im Laufe dessen kamen wir auch auf das Umfeld und die Hintergründe der SuS an der JPS zusprechen welche natürlich auch den Erfolgen der JPS zu Grunde liegen. So war die JPS bis vor kurzem ein “Schulversuch” des Landes Thüringen und als “Vorzeigeschule” sehr gut mit Mitteln und Ressourcen ausgestattet. Außerdem hatten sie bei ihrem Konzept einige Freiheiten z.b. Bei der Realisierung einer dreijährigen Oberstufe mit rotierenden Inhalten die teilweise gemeinsames Lernen der 11/12/13 KLasse ermöglichten. Doch nun ist der “Schulversuch” ausgelaufen, die Freiheiten werden weniger. So fordert die Bürokratie konsequent eine Rückkehr zu 45 minütigen Stunden, obwohl sich das bisherige Modell mit längeren Blöcken sehr bewährt hatte. Und auch das gemeinsame Lernen der Oberstufe kann vermutlich so nicht beibehalten werden, obwohl der Erfolg von überdurchschnittlichen guten Abiturergebnissen für sich spricht.
Bei all dem Erfolg sollte man auch beachten, dass das Umfeld der JPS sehr gute Voraussetzungen mitbringt und die Schülerschaft oft aus sehr bildungsnahen Familien stammt.
Die Schule ist sich dessen aber natürlich auch bewusst und weist auch ausdrücklich darauf hin dass ihr Konzept kein Wundermittel ist, welches auf andere Schulen übertragen werden kann. Das Ganze ist aus dem Kollegium heraus gewachsen und nicht von oben herab erlassen worden.
Wie kann man Ideen der JPS auch in anderen Umfeldern erfolgreich umsetzen? Die JPS versucht diese Frage auch selbst schon zu beantworten und hat in Jena zwei Ableger in strukturell schwächeren Vierteln gegründet. Diese übernehmen die Teile des Konzepts die sie erfolgreich umsetzen können, und ändern eben auch die Punkte die nicht funktionieren.
Die Schüler und ganze Gesellschaft verändert und entwickelt sich ständig. Also muss dass eine Schule auch tun! Die Schulentwicklung an der JPS zeigt sich zum Beispiel an neuen Fächern wie „Demokratie“ in dem alle Schüler in Gruppen Ideen ausarbeiteten wie sie sich für ihre Mitschüler einsetzen können. Dabei sind die Schülern bei der Themenwahl sehr frei, können also etwas machen was ihnen wirklich persönlich wichtig ist, und so die Schule und das Miteinander slebst gestalten und weiterentwickeln. Passend dazu möchte ich mit einem schönen Zitat einer Lehrerin der JPS abschließen, dass sich alle Menschen die sich über gute Schulentwicklung den Kopf zerbrechen (mich eingeschlossen ;)) merken sollten:
„Die SuS sind die besten Experten für die Weiterentwicklung von Schule, also fragt sie!“