Lernreise 2022

Im März 2022 ging es für sechs Lehramtsstudierende auf eine Lernreise an vier inspirierende Schulen. Einen Einblick davon bekommt ihr in diesem Abschlussbericht:

Motivation für die Reise

Wie sieht eine zukunftsfähige Schule aus? In welcher Lernumgebung kann ich den mir anvertrauten Kindern und Jugendlichen am besten gerecht werden? Wo fühle ich mich als Lehrperson so wohl, dass ich in meinen Beruf mit Freude und Einsatz dauerhaft tätig sein möchte und kann?

Diese Fragen veranlassten uns – sechs Lehramtsstudierende aus Freiburg – zu einer gemeinsamen „Lernreise“ zu Schulen mit alternativen Lehr- und Lernkonzepten. Dafür ließen wir uns von „Kreidestaub e.V.“, inspirieren. In dieser studentischen Initiative vernetzen sich junge Menschen, die die Lehrer:innenausbildung kritisch hinterfragen und verbessern möchten. Im Rahmen dieser Initiative werden beispielsweise bundesweite Schulbesuche in Studierendengruppen als „Lernreise“ organisiert. Unabhängig und in Selbstorganisation besuchten wir im März 2022 drei Schulen im Freiburger Raum und eine Schule in der Schweiz.

Wir freuen uns, im Folgenden einen kurzen Einblick in unser Projekt und unsere Erfahrungen geben zu können und danken der GEW und dem VBE für ihre finanzielle Unterstützung.
Den ersten Impuls zur Idee einer „Lernreise“ bekamen wir bereits auf dem Seminar “Bildung von unten” im Sommer 2021, das einige von uns gemeinsam besuchten. Dieses Seminar ist mittlerweile im Hochschulrahmen Freiburg fest verankert. Es greift Ideen der Initiative „Kreidestaub e.V.“ auf und zielt darauf ab, dass sich Studierende in demokratischen Prozessen mit selbst gewählten Fragestellungen und Themen selbstbestimmt und eigenverantwortlich auseinandersetzen.

In Vor- und Nachbereitungstreffen übten wir uns im „All-Leadership“, Aufgaben und Verantwortungen wurden in der Gruppe demokratisch verteilt, und wir reflektierten unser Vorgehen. Auf einem intensiven Vorbereitungswochenende schärften wir unsere Zielsetzung und stimmten unsere Reiseorganisation miteinander ab. Abschließend trafen wir uns zu einem Rückblick und einer Auswertung unserer „Lernreise“.


Auf einem Vorbereitungstreffen in Schallstadt verteilten wir Aufgaben und Verantwortung demokratisch in der Gruppe untereinander

Stationen unserer Reise
Das Ecole d’Humanité in Hasliberg-Goldern im Kanton Bern/Schweiz
wird von einer Stiftung getragen und ist eine internationale Schule in der Tradition reformpädagogischer Landerziehungsheime, gegründet zu Beginn des 20. Jahrhunderts von Paul Geheeb und Edith Geheeb-Cassirer.
Das Besondere an diesem Internat ist das Zusammenleben von Lehrenden und Lernenden in Familiengruppen, die sich eigenverantwortlich organisieren. Ziel ist die Übernahme von Verantwortung, um die eigene Entfaltung der Persönlichkeit voranzubringen. Gelernt wird in Lernteams ähnlichen Leistungsniveaus, organisiert in thematischen Kursen. Ergänzt wird das Lernangebot durch ein Kreativprogramm, von musischen, handwerklichen und sportlichen Kursen am Nachmittag.
Die intensive Lehrer:innen-Schüler:innen-Beziehung, der ständige Austausch der Lehrenden ist zweifelsohne das Fundament für gute Bildung, die in der Fachwelt hohes Ansehen genießt und die zahlreiche Persönlichkeiten hervorgebracht hat. Allerdings sehen wir auch Nachteile für eine 24/7 – Lehrkraft durch die Verschmelzung von Beruflichem mit dem Privaten.
Die staatliche Vigelius – Gemeinschaftsschule, eine Ganztagsschule im Freiburger Westen, zeigte uns, wie in einer Regelschule eine heterogene Schüler:innengemeinschaft auf verschiedenen Leistungsniveaus dennoch zusammen unterrichtet werden kann. Die Kinder der Vigelius-Schule haben verschiedene kulturelle und sozio-ökonomische Hintergründe. Hier sollen alle Kinder eine Chance bekommen. Ganztagsarbeit und Unterstützung durch Sozialarbeit und außerschulische Kooperationspartner:innen schaffen ein umfassendes Angebot mit viel Raum für soziales Lernen. Unsere Hospitation gewährte uns Einblicke in gelingende und weniger gelingende Lernsituationen an einer Gemeinschaftsschule mit einem herausfordernden Anspruch und engagierten Lehrkräften.
Das Konzept der Natur- und Montessorischule Löwenzahnschule in Ettenheim basiert auf einer natürlichen, anregenden Lernumgebung. Die Initiator:innen sind überzeugt, dass der Wechsel zwischen Natur und Kultur einer der Motoren des Lernens ist. Wir erlebten Kinder, die in einer augenscheinlich heilen Parallelwelt begeistert und mit großer Lernfreude und Ausdauer in selbstorganisierten Projekten lernen durften. Die Lehrkräfte nahmen sie ernst und zeigten großes Einfühlungsvermögen bei der Lernbegleitung.
In der Freien Schule Dreisamtal, Freiburg trafen wir auf ein weiteres Konzept des offenen und freien Lernens. Hier beschäftigen sich die Schüler:innen in altersgemischten Lerngruppen eigenständig mit ihren Lernplänen und werden bei Bedarf von Lernbegleiter:innen unterstützt. Ohne Leistungsdruck bewahren sich die Kinder ihre Neugier und Lernfreude. Während unserer Hospitation stellte sich uns die Frage, wann ein Kind durch diese Freiheit überfordert wird und wie viel Ermutigung es durch die Lehrkräfte braucht, um Hürden und Hindernisse durch Anstrengungsbereitschaft zu überwinden.

Das erste Ziel unserer Reise war das Ecole d’Humanité in Hasliberg-Goldern im Kanton Bern/Schweiz

Fazit der Reise

Eine zukunftsfähige Schule muss Abschied nehmen von belehrendem Unterricht. Sie muss eine andere sein, als die, die wir selbst erfahren haben, denn nachhaltige Bildung zeigt sich nicht in immer umfangreicherem Faktenwissen, sondern in Kompetenzen, die es ermöglichen, ein Leben lang zu lernen.

Alle besuchten Schulen haben außergewöhnliche Konzepte, die uns inspirierten, weil sie den Kompetenzerwerb und die individuellen Lernwege der Kinder auf unterschiedliche Weise in den Blick nehmen und eigenverantwortliches Lernen fördern. Aber das Konzept alleine, seine überzeugende Darstellung oder eine anschauliche Präsentation beim Internetauftritt garantieren noch nicht den tatsächlichen Erfolg. Entscheidend ist die praktische Umsetzung und die hängt maßgeblich von der überzeugten Haltung der erfahrenen Lehrkräfte bzw. des pädagogischen Teams ab.

Unsere „Lernreise“ gab uns die Möglichkeit unterschiedliche Praxisbeispiele kennenzulernen. Vier Schulen, vier verschiedene Schwerpunktsetzungen und zahlreiche Unterrichtssituationen – inspirierende Impulse für unsere zukünftige Tätigkeit und für einen notwendigen lebenslangen Prozess der Reflexion im Lehrberuf – nicht mehr und nicht weniger. Denn abschließende Antworten auf unsere Ausgangsfragen haben wir noch nicht, wohl aber interessante Anregungen für eine mögliche Unterrichtspraxis und für neue Fragestellungen bei der nächsten Lernreise: Individualisiertes Lernen und Vergleichbarkeit, soziales Lernen und individuelle Entfaltung – Welche Freiheiten und Grenzen, welche Regeln braucht es an einer zukunftsfähigen Schule?

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